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Walpurgis und der Erste Mai

Das Maifest ist einer unserer ältesten Feiertage. Es wurde höchstwahrscheinlich schon von den ersten Bauern und den Megalith-Leuten zelebriert, die Kelten haben es lediglich übernommen. Es ist ein Fest des Frühlings, der Fruchtbarkeit und der Lebensfreude. Denn nun vermählt sich die schöne Tochter der Erdgöttin, die Göttin der Vegetation, mit dem strahlenden Sohn des Himmels, mit der siegreichen, immer höher steigenden Sonne. Die Tage werden länger, die Sonne vertreibt Frost und Kälte und küsst die Vegetation wach.

„Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt; nun sage mir, wo es was Besseres gibt? “

Goethe, Faust (Walpurgisnacht, Zeile 4058)

Der Wonnemonat

Im Wonnemonat Mai – dieser war vor der „kleinen Eiszeit“ milder als heutzutage –, wenn das Licht des Vollmondes in die Weißdornblüte fällt und alle Zugvögel wieder da sind, ruft der Kuckuck, als Herold, alle Wesen zur Götterhochzeit.

Das Fest fing schon am Vorabend an. Schamanen und Schamaninnen flogen aus in die Götter- und Geisterwelt und verkehrten mit den Naturgeistern, auch mit dem archaischen hörner- oder geweihtragenden Gott der Fruchtbarkeit. Junge Burschen zogen in den Wald, um den „Maibaum“ – im nördlichen Europa eine Birke, in den Alpenregionen eine Tanne (Fichte) – zu holen und im Dorf, wie einen riesigen Phallus aufzustellen. Der Baumstamm wurde geschält und seine Spitze durchstieß einen mit roten Bändern umwundenen Blütenkranz. Er stellte die Vereinigung des Sonnengottes mit dem „Blumenmädchen“, der göttlichen Braut, dar. Die Menschen, ergriffen von der Gegenwart der Götter, umtanzten ekstatisch den Baum. 

Maibraut

Mädchen schmücken sich am Maifest mit Blumenkränzen

Die Mädchen gingen in den Wald und bauten „Minneburgen“ oder „Chateaus d’amour“ aus Laub und Blumen, die dann von den Burschen gestürmt wurden. Rituelle Liebesakte wurden auf den Feldern vollzogen. Hier und da rutschten Mädchen mit entblößten Genitalien über „Brautsteine“, um fruchtbar zu werden oder um sich einen Liebhaber zu wünschen. Jedes Dorf wählte eine Maibraut und einen jungen Burschen, der oft in grünem Laub gekleidet war; sie symbolisierten das göttliche Brautpaar.

In Skandinavien besuchte das Paar die Einzelhöfe und brachte ihnen Segen – wenn die junge Frau während dieser Zeit schwanger wurde, galt das als gutes Omen. Am Maitag – so hieß es bei den Kelten – öffnen sich die Totenhügel (irisch Sidhe, deutsch Feenhügel oder Hünengräber) und die Elfen oder Ahnengeister schwärmen aus und feiern mit, auch sie bringen Fruchtbarkeit, den Äckern, Tieren und Menschen.

Literaturtipp

Das Buch, Hexenmedizin, bietet einen Blick auf einen faszinierenden Bereich unserer Kultur- und Medizingeschichte: der Heilkunst der Hexen, der verbotenen, geächteten, staatlich und kirchlich unterdrückten „alternativen“ Medizin.

Hexenmedizin ist wilde Medizin, sie ist unkontrollierbar und entzieht sich der herrschenden Ordnung. Sie macht Angst, denn sie entscheidet über Leben und Tod. Hexenmedizin ist Kult – schamanischer Heilkult um heilige, das heisst wirkungsvolle Pflanzen.

Für die christlichen Missionare bestand kein Zweifel, dass dieses heidnische Treiben – der den gehörnten Gott, die Unzucht, die fliegenden Schamaninnen – teuflisch war. Sie versuchten die heilige Walburga anstelle der schamlosen Göttin zu setzen. Walburga (710-779), eine Königstochter aus Wessex (England), war die Nichte des Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“; sie wurde Äbtissin des Klosters Heidenheim. Das Heidenfest sollte durch christliche Feste ersetzt werden. Trotzdem blieb das Maifest, etwas abgewandelt, in der ländlichen Kultur erhalten; es überdauerte letzten Endes sogar die Inquisition und erwacht gegenwärtig zu neuem Leben. 

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  1. Ich möchte gerne mehr über Wolf-Dieter Storl und sein tolles Wissen erfahren


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