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Waldsauerklee

Ein Spaziergang im Wald kann ein wunderbares Abenteuer sein. Da sieht man im Buchenwald oder auch unter den Fichten ein zartes weißes Blümlein mit violett geaderten Blütenblättern. Es ist der Waldsauerklee (Oxalis acetosella), der früh im Jahr, ehe die Laubblätter zu viel Schatten auf den Waldboden werfen, blüht. Die hellgrünen, dreizähligen Blätter sehen täuschend ähnlich wie Kleeblätter aus – daher der Name –, aber wenn man die Blüten betrachtet, weiß man, dass die Pflanze zu einer anderen Familie gehören muss, nämlich den Sauerkleegewächsen (Oxalidaceae), mit seinen fast 800 Arten weltweit.

Zu dieser Familie gehört auch die fünfkantige, leicht säuerlich schmeckende  Sternfrucht  (Karambole), der Gurkenbaum (Bilimbi), dessen grüne saure Früchte sich zu gut für Chutneys eignen, der Knollige Sauerklee (Oka), den die Indios Perus als Wurzelgemüse kultivieren, wie auch der vierblättrige, aus Mexiko stammende „Glücksklee“ (Oxalis tetraphylla), den wir gerne zusammen mit kleinen Schornsteinfegern und Marzipanschweinchen zum Neujahr verschenken.

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Unser einheimischer Sauerklee ist bestens an ein Leben im schattigen Wald angepasst. Die Blätter sind fast so sensibel wie bei den Mimosen: die Stängel krümmen sich und rücken mit dem Wandel des Lichteinfalls in eine lichtgünstige Stellung. Die Hautzellen der Blätter wölben sich und werfen, wie Sammellinsen, Licht auf die tieferen Blattzellen. Bei Gewitter oder schon bei vorüberziehenden Wolken nehmen die Blätter Schlafstellung ein; auch bei großer Hitze falten sie sich senkrecht zusammen und, da die Spaltöffnungen auf der Unterseite liegen, geben sie so kaum Wasserdampf ab.

Da es im Wald allgemein windstill ist, hat der Sauerklee eine besondere Methode entwickelt, um seine Samen zu verbreiten. In der heranreifenden Samenkapsel baut sich ein Druck von bis zu 17 ATÜ auf – das ist mehr als der Druck in den Autoreifen. Die Kapseln explodieren und schleudern die Samen mehrere Meter. Zusätzlich haben die Samen ein Schwellgewebe mit Spannung, die beim Platzen die Samen nochmals bis zu zwei Meter verteilen.

Namen und Mythologie

Der Sauerklee verdient seinen Namen, denn die Blätter schmecken angenehm säuerlich, sind durststillend und eignen sich gut als Zutat zum Frühlingssalat. Aber man sollte nicht zu viel von ihnen essen, sie enthalten nämlich Oxalsäure, die die Niere reizt und die Bildung von Nierensteinen fördert.

Ein beliebter Name des Waldblümleins ist Kuckucksbrot, Kuckuckskohl und Guggerklee (englisch cuckoo’s meat, französisch pain de coucou), denn wenn es blüht, ist der Ruf des Kuckucks bald zu hören. Hasenbot, Hasenklee und Hasenampfer sind weitere Benennungen. Beide, der Hase und der Kuckuck wurden früher mit Fruchtbarkeit, Sinneslust und Sexualität assoziiert; sie waren Attribute der Liebesgöttin Freya oder der Frühlingsgöttin Ostara. Hasen sind Diener dieser beiden Holden; der Hase legt das Osterei, das die Neuwerdung der Natur symbolisiert. Und vom Kuckuck (Gauch) heißt es ebenfalls, dass er die Wollust anregt und die Menschen närrisch macht. In der christlichen Malerei stellt der blühende Sauerklee oder auch ein weißer Hase zu Füßen der Jungfrau Maria, den Sieg über die Sinnlichkeit dar. Die astrologische Kräuterkunde der Renaissance stellte den Sauerklee unter die Herrschaft der Venus.

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Noch mehr als andere Kleearten, galt der Sauerklee für die Kelten, insbesondere für die Iren, als heilig. Die Legende erzählt, der heilige Patrick, der Schutzpatron Irlands, hätte den heidnischen Iren die Dreifaltigkeit Gottes anhand des dreiblättrigen Klees erklärt. Eigentlich war die Dreiheit des Göttlichen ihnen nichts Fremdes, Patrik hat lediglich den neuen christlichen Glauben in Einklang mit dem keltischen Weltbild gebracht. Am 17. März, dem Tag ihres Schutzpatrons, stecken sich die Iren noch immer den dreiblättrigen Schamrock an den Hut oder an die Jacken. Auch die irischen Zwerge, die listigen, lustigen Leprechauns, tragen den Sauerklee an ihrem Hut.

Der Shamrock ist eine zauberstarke Pflanze. Legt man so ein Sauerkleeblatt unter das Altartuch, dann wird der Priester, der die Messe liest, anfangen zu stottern. Trägt man den Sauerklee zu Walpurgis, dann wird man die Hexen erkennen können. Ein weiterer irischer Aberglaube besagt, man würde das ganze Jahr lang kein Fieber bekommen, wenn man das erste Mal den Kuckuck rufen hört, 3 Sauerkleeblätter isst.

Literaturtipp

In Wir sind Geschöpfe des Waldes möchte ich euch den Wald wieder näherbringen. Den ganzen Winter schrieb ich wie besessen daran. Es fängt an mit den Schachtelhalmwäldern im Perm und Karbon vor rund 400 Millionen Jahren, in denen wir als kleine Lurche lebten; es geht weiter in die Wälder des Tertiär, wo wir als primitive Primaten in den Kronen der Baumriesen herumkletterten, bis wir, von stärkeren Menschenaffen aus dem Waldparadies vertrieben wurden und als Vormenschen die Baumsavannen besiedelten. Über diese Jahrmillionen haben uns die Bäume und der Wald entwicklungsgeschichtlich physisch und geistig geprägt.

Wildgemüse

Frische Sauerkleeblätter kamen überall mit in die Gründonnerstagsuppe. Die Russen stellen aus den durch einen Fleischwolf gedrehten Sauerklee ein säuerliches Erfrischungsgetränk her. Auch trocknen sie die Blätter und geben das Pulver in Getreidesuppen oder auch in die beliebte Kohlsuppe (Schtschi). Sie trocknen und pulverisieren übrigens auch junge Gierschblätter, Brennnesseln und andere Wildkräuter, um sie das Jahr über zu gebrauchen. In Sowjetzeiten, als die Versorgungslage schlecht war, war das notwendig.

In England machte man aus dem woodsorrel eine „grüne Soße“. Nach John Gerard (1545-1612), dem bekannten englischen Kräutermann, eignet sie sich besonders für Fischgerichte. Auch für schwache Mägen soll sie gut sein. Man achte jedoch darauf, dass man es mit dem Guten – wegen der nierenreizenden Oxalsäure – nicht übertreiben soll. Auch erniedrigt die Oxalsäure den für Herz und Kreislauf so wichtigen Kalziumgehalt im Körper.

Heilpflanze

In der Volksheilkunde gilt der Sauerklee als kühlend bei „hitzigen“ Erkrankungen. Die kühle, zarte Venuspflanze vermag es, den hitzigen Mars-Erkrankungen, den ansteckenden Fiebern und Gallenkoliken, entgegenzuwirken – so der berühmte englische Herbal-Astrologe, Nicholas Culpeper (1616-1654). Der frische Saft reinigt das Blut, vertreibt Skorbut und wirkt äußerlich bei „Skrofelgeschwüren und führt Eiterbeulen zur Reife. In dem indischen Ayurveda wird das im Himalaya-Gebiet wachsende Kräutlein ebenfalls bei Fieber, Verdauungsbeschwerden, sowie äußerlich bei Hautentzündung und krebsigen Geschwüren eingesetzt.

Maria Treben verschreibt – in ihrem Buch Gesundheit aus der Apotheke Gottes  den frischen Kräutersaft oder auch den Tee aus frischen Blättern bei leichten Leber- und Verdauungsbeschwerden, Hautausschlägen, beginnenden Magenkrebs und äußeren Geschwüren. Sogar für die Schüttellähmung (Parkinson) hat die Kräuterfrau ein Rezept: Der frische Saft, stündlich drei bis fünf Tropfen, wird in einem gebrühten Schafgarbentee eingenommen, und äußerlich zur Einreibung des Rückgrats verwendet. Verschreibungen dieser Art, wie man sie immer wieder bei Volksheilern, indianischen Medizinleuten und Schamanen vorfindet, wirken unter besonderen Umständen und zu spezifischen Zeiten bei einzelnen Kranken, wahrscheinlich aber können sie nicht verallgemeinert werden. Wichtig dabei ist nicht nur die Rezeptur, sondern auch die Kraft des Heilers.

Zu guter Letzt wollen wir auch erwähnen, dass die Hausfrauen den Saft des Sauerklees oder eine Abkochung der Blätter einst als Fleckenmittel, bei Rost- oder Tintenflecken auf Textilien, benutzten.

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