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Osterwonne

Nach den kalten, dunklen, beschwerlichen Wintertagen kehrt das Leben zurück, erst langsam und zögernd, dann schwillt es mächtig an. Der erstarrte Boden taut auf, ein grüner Schimmer überzieht die abgegrasten Weiden. Fette, herzförmige Scharbockskräuter wagen sich heraus.

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück.“

 – Goethe, Osterspaziergang

Die junge Göttin zieht über das Land

Huflattichblüten leuchten wie kleine Sonnen; Bärlauch, Giersch und junge purpurangehauchte Brennnesseltriebe treiben hervor. Vögel singen ihre Hochzeitslieder. Es ist, als schreitet leichtfüßig eine holde Göttin über das Land. Eine junge Göttin des Lichtes. In ihrer Hand trägt sie einen Bund gelbblühender Schlüsselblumen, Himmelsschlüssel, mit denen sie das Tor aufschließt, sodass der wonnevolle Lenz eintreten kann. 

Ostara nannten die germanischen Ureinwohner sie, eventuell auch Austro. Der englische Mönch Beda Venerabilis (7. Jh.), der bei der Berechnung des christlichen Ostertermins – 1. Sonntag nach den Frühlingsvollmond – tätig war, erwähnt sie als Eostra und nennt den April Eosturmanot.  In der Literatur findet Ostara ansonsten wenig Erwähnung.

In der Hand trägt die Göttin die Schlüsselblume

Sie muss jedoch für das einfache Volk von großer Bedeutung gewesen sein, dass ihr Name in der deutschen und englischen Sprache erhalten blieb. Es handelt sich um eine uralte indogermanische Göttin des zarten Morgenlichtes, des Morgensterns oder des Frühlingslichtes, das im Osten erscheint. 

Usha nannten die vedischen Inder diese Lichtgöttin, Eos die Griechen, Aurora die Römer, Ausrine oder Ausra die Balten (von os oder aues = „leuchten“). Ostrara stellt das wiedergeborene Licht und das neue Leben dar. Bunt bemalte Eier (Ostereier) und Hasen (Symbol der Fruchtbarkeit) sind ihre Merkmale. Sie segnet frisches Quellwasser mit Heilkraft.

Ostereier

Bunte Ostereier gehören zu dem Osterfest

Das Christentum und Ostern

Bei dem Osterfest, das wie die meisten Feste der Naturvölker, mit dem Vollmond verbunden ist, ging man seelisch in Einklang mit dem Naturgeschehen. Die Seele trat in Resonanz mit der neuen Lichtfülle und dem erwachenden Leben. Wohlweislich haben die Christen dieses Fest der Auferstehung der Natur in ihren sakralen Kalender mit eingebaut und im 4. Jahrhundert, im Konzil von Nikäa, die Passion, die Kreuzigung und die Auferstehung des Heilands auf das Osterfest verlegt.

Auch dabei ging es um den Sieg des Lebens. Der Fokus war aber nicht mehr das äußere Naturgeschehen, sondern die innerseelische Welt. Der liebe Gott, der sich in Jesus verkörperte, verkündete: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ (Johannes 14:6).

Bei den Naturvölkern war Ostern mit dem Vollmond verbunden.

Vollmond

Eine solche Aussage und die Aufforderung den Weg der Wahrheit zu gehen, kommt nicht gut an in einer Gesellschaft, in der Menschen eher ihren Vorteilen nachgehen als der Wahrheit, wo die Machthaber lügen und Gewalt anwenden. Auch heute gibt es Philosophen, die uns vormachen, das es Wahrheit an sich gar nicht gibt, sondern, „wahr ist, was man für wahr hält“. (Das ist natürlich eine Formel, die das Vertrauen, auf die eine funktionierende Gesellschaft basiert aushöhlt und schließlich zu Chaos führt). 

Literaturtipp Die alte Göttin

In dem Buch, Die alte Göttin, geht es darum, wie wir durch Märchen zu unserer Urspiritualität finden. Wir entdecken alte Sagen, Jahreskreisfeste, Mythen und Märchen und was sich dahinter verbirgt.

In einer korrupten Gesellschaft ist der schuldlose Gottessohn, der die Wahrheit spricht, ein Störer und er verdient den Tod. Die christliche Botschaft ist also, dass Lug und Trug nie die Oberhand behalten, sondern dass das Licht der Wahrheit und Liebe immer obsiegen werden. Das ist eine Botschaft, die auch in unsere heutige Zeit passt und die ich akzeptieren kann. Zugleich öffne ich mich der Fülle der erwachenden Natur; zugleich liebe und verehre ich die Lichtgöttin, die Ostara, die mit ihrem Segen über das Land zieht.

Und nun noch ein kleines Gedicht für diese Zeit:

 

Bald trüb und rau, bald licht und mild,

ist der April des Menschen Ebenbild.

Noch kämpfen Sommer und Winter gegeneinander,

noch schläft der Feuersalamander;

mal schneit’s, mal regnet’s mal ist der Himmel blau.

Da sammelt die kundige Kräuterfrau

Bärlauch , Kresse, Giersch und Nessel

Für den Salat, den Suppenkessel und ins Brot zu backen.

Alles Pflanzen voller junger, grüner Kraft,

heilsame Kräuter, die das Blut entschlacken,

Tonus schenken, das Gewebe straffen

Siechtum und Leiden aus dem Wege schaffen.

– Wolf-Dieter Storl

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Diskussion

  1. Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Pfanzenwissen , gepaart mit Mythologie und einer wunderbaren ERzählkunst. Auch der wunderbare Film Pflanzenzauber ein Kunstwerk vermittelt Tiefe, Harmonie. Ich hüte Ihre Bücher wie einen Schatz. Vielen dank dafür, daß Sie uns auf sehr besondere Weise mitnehmen ins Pflanzenreich, so inspirierend. Fast jeder in meinem Bekanntenkreis besitzt ein paar Bücher von Ihnen und ist berührt.

  2. Lieber Wolf-Dieter,
    in einem Videobeitrag sprichst du von der Seele der Natur. Hab vielen Dank! Ich hatte einmal das Erlebnis, mich in den Garten zu setzen und meine Seele mit der Seele eines zartleise zwitschernden Rotkehlchens und der Seele einer ewig langsamen, wunderschönen Nacktschnecke zu verbinden. Ich fühlte eine Ahnung von einem ewigen Eins-Sein. Einen Klang als hätte er Volumen.
    Es ist schwer zu beschreiben und dort gab es keine Zeit. Es gibt für uns Menschen doch noch tiefes Verstehen, tiefes Übereinkommen mit den Mitgeschöpfen. Ein Verschmelzen. Das möchte ich dir schreiben. Danke.

  3. wunder schön auch dein Gedicht, wie du diese alles gestaltende und belebende Kraft beschreibst; pflanze gerade Schlüsselblumen aus dem Garten meiner Mutter in meinen eigenen Gruß Werner

  4. Dankeschön, sehr interessante Ausführungen und immer lesenswert.

  5. Danke für Deine Inspiration und Weisheit lieber Wolf-Dieter 🙏 ich bin auch auf diesen Weg eingeschwenkt und bin gekommen um auf diesem zu bleiben. Ich bin sehr dankbar. Wir sind alle ein Teil dieser wundervollen Natur und Mutter Gaia 🌍 ich grüsse Dich aus der Schweiz und wünsche Dir von Herzen ein frohes und gesegnete Osterfest….Lars


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Vortrag

1. Juni 2024 um 19:00 Uhr