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Wo der Pflanzengeist wurzelt und die Wissenschaft endet

Wie konnte die alten Kräuterheiler wissen, welches Kraut das jeweils richtige war? Die Pflanze selbst zeigte es ihm: Genauso wie der Mensch von unsichtbaren Kräften – von seinen Gewohnheiten und Charaktereigenschaften, seinen Trieben, Wünschen und Einbildungen – bis in die äußere Erscheinung geprägt wird, so ist die Pflanze durch die in und an ihr wirksamen Kräfte geprägt.

„Alles in der Natur hat seine Signatur: Der Weise erkennt sie, der Tor lacht darüber.“

– Jakob Böhme

Wenn Intuition nicht ins Raster passt

Ein wahrer Menschenkenner kann durch das genaue Betrachten des Gesichtsausdrucks, des Mienenspiels, der Körperhaltung und der Ausstrahlung auf die Charaktereigenschaften eines Menschen schließen. Ebenso ist es bei der Pflanze: Ihre »Physiognomie« zeugt von den in ihr wirksamen Kräften. Der wahre Pflanzenkenner – die Kräuterfrau, der Hirte, der chinesische Kräuterarzt – der jahrzehntelang in inniger Verbundenheit mit den Pflanzen im Wald lebt und in meditativer Betrachtung seinen Geist in sie versenkt hat, wird die »Signaturen«, die ihnen die Jahreszeiten und der Standort, Klima und Bodenbeschaffenheit, Götter, Geister und andere formgebende Kräfte verliehen haben, richtig zu deuten wissen.

Heute wird die Signaturenlehre als unwissenschaftlicher Unfug, als Aberglaube abgetan.

Was kann man aber von den so genannten Wissenschaftlern erwarten, die die Pflanzenmaterie nur unter dem grellen Neonlicht eines sterilen Labors betrachten, die pflanzlichen Gewebe zerlegen, zentrifugieren, mikroskopieren, durch messende und analysierende Maschinen jagen und dann, wenn sie sie endlich in ihre molekularen Bestandteile zerlegt haben, glauben, sie wüssten genau, was eine Pflanze ist! Würde man dasselbe mit dem Menschen tun, wüssten wir zwar etwas über Energie- und Stoffwechselmuster, dass der Körper aus soundso viel Pfund Kalk, Phosphor, Kiesel und dazu einigen Spurenelementen besteht – was aber wüssten wir von dem transzendenten Geist, der in ihm lebt?

Bei den traditionellen Völkern auf der ganzen Erde wird immer auf die Signatur geachtet. Die Indianer suchen wurmförmige Wurzeln als Wurmmittel, behaarte Pflanzen gegen Haarausfall, milchige zur Milchbildung, rötliche bei innerer und äußerer Blutung, Kräuter mit gelbem Saft oder gelben Blüten bei Gelbsucht und Lebererkrankung, bittere Kräuter für Gallen- und Verdauungsbeschwerden. Die Chinesen sehen in der Ginseng-Wurzel mit ihrer menschenförmigen Signatur eine Panazee für den ganzen Menschen. Man mag darüber den Kopf schütteln, doch fast immer stimmt die Indikation.

Das Blütenköpfchen dieses an Bachufern wachsenden Rosengewächses (Geum rivale)
sieht aus wie ein geronnener Blutstropfen. Man nahm diese Signatur als Hinweis, dass die Pflanze Blutungen stillen kann. Tatsächlich ist es eine hervorragende Gerbstoffdroge, die diese Anwendung rechtfertigt.

Was Pflanzen ohne Worte offenbaren

Die Signaturen sind nicht immer leicht zu erkennen sind, jedenfalls nicht mit dem profanen alltäglichen Bewusstsein: »Es sei denn, der Heilige Geist offenbart sie.« Vor leichtfertiger Deutung warnen alle Kräuterkundigen. So etwa Paracelsus, in dem viel keltisches Überlieferungswissen steckt und der nicht nur an den Universitäten, sondern auch bei den einfachen Bauern, Hirten und Kräuterfrauen lernte: »Die Natur zeichnet ein jegliches Gewächs, das von ihr ausgeht, zu dem, dazu es gut ist; darum wenn man erfahren will, was die Natur gezeichnet hat, so muss man es an den Zeichen erkennen, was Tugenden in ihm sind«. Aber – so warnt er – nicht durch das oberflächliche Anschauen, die gegenständliche Analyse und den alltäglichen Verstand erkennt der Mensch die Siegel und Signaturen, sondern durch das »Licht der Natur«. Dabei handelt es sich um so etwas wie eine geheime Kraftausstrahlung der Pflanzen, Steine und der anderen natürlichen Dinge. Im »Lichte der Natur« erkennen auch die stummen Tiere, welches Kräutlein sie heilt oder welches sie fressen können.

Literaturtipp Kräuterkunde

Gegen jede Krankheit ist ein Kräutlein gewachsen: Im Buch stelle ich die ältesten und universalen Heilmittel der Menschheit vor.

Auch wenn es für uns moderne Menschen etwas schwierig ist zu verstehen, lassen wir Paracelsus es selbst erklären: »Der Heilige Geist und die Natur sind eins: Täglich ist die Natur ein Licht aus dem Heiligen Geist und lernt von ihm, also kommt es im Menschen während der Tiefe der Nacht [man kann auch sagen während der stillen Tiefenmeditation, im Klartraum, in der Entrücktheit, Anm. d. Verf.]. Das Wissen der kalten Vernunft hat verblendet das Licht der Weisheit und das Licht der Natur; so herrscht eine fremde Doktrin und hat beider Erkenntnis zwischen Stühle und Bänke gesetzt. Die dieser fremden Doktrin anhängen, versuchen die Wahrheit beider Lichter zu verdunkeln und wollen sogar das Licht des Ewigen und der Natur auslöschen… In der Natur ist ein Licht, das heller scheint als das Licht der Sonne; in diesem Licht werden die unsichtbaren Dinge sichtbar«.

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