Die tiefe Bedeutung von Pfingsten
- 8. Juni 2025
Pfingsten – heute weiß kaum jemand mehr, was das bedeutet – war einst, neben Weihnachten und Ostern der dritte Höhepunkt des Jahreslaufs. Es ist das Fest des Herabkommens des Heiligen Geistes über die Menschheit und über die Natur. Wald und Flur kleiden sich in frisches Grün, die Blumen blühen dem Himmel entgegen mit frischer Pracht und die Vögel singen liebliche Lieder.
„Der die Natur nicht kennt, liebt sie nicht.“
– Paracelsus
Wie eine Taube schwebte der Heilige Geist sanft vom Himmel herab, wie Feuerzungen senkte sich sein Segen auf die Menschen und füllte sie mit Ekstase, so dass sie in „Zungen redeten“ und egal, wo sie herkamen, einander verstanden. So steht es in der Bibel. Im Galaterbrief heißt es: „Die Frucht, die der Geist hervorbringt, ist Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube, Milde, Selbstbeherrschung. So etwas verbietet kein Gesetz.“ Das sind schöne Gedanken.
Die Brauchtümer an Pfingsten
Für das einfache Volk war Pfingsten – die Engländer nennen es Whitsuntide, „weiße oder weise Sonnenzeit“ – eine Steigerung der vielen Frühlingsfeste, die ihre Wurzeln in der vorchristlichen Naturspiritualität haben. Bis in die Neuzeit stand das Landvolk früh auf und badete auf den Wiesen im frischen Tau, dem Pfingsttau oder Heiligengeisttau, der, wie auch der Pfingstmaie, der grüne Strauß, Gesundheit und Lebensfreude verspricht.
Der Pfingststrauch, davon war man überzeugt, vertreibe Gewitter, Krankheit, bösen Zauber und Ungeziefer. Es gab in der Pfingstzeit Umzüge und Ausflüge mit Wagen, die mit frischgrünem Laub geschmückt wurden. Ähnliches kenne ich noch aus Oldenburg, wo ich in der Nachkriegszeit bis zur 5. Klasse in die Schule ging. Da wurden die Eingänge der Häuser, Fahrräder, Pferdewagen, Autos, Baugerüste und Ställe mit frischen Birkenzweigen geschmückt. Auch die gut riechenden Kalmusblätter kamen beim Schmücken in Frage. Auf dem Lande ließen die Oldenburger Bauern die Türen und Tore offen, damit der Heilige Geist hereinkommen konnte.
Eine frisch geschlagene Birke – Symbol des Frühlings und zentrales Element vieler Pfingstbräuche
In den heiligen Pfingsttagen musste alles sauber sein. Vielerorts wurden die Häuser mit Pfingstbesen aus Ginsterzweigen gereinigt. Brunnen und Quellen wurden besucht, gereinigt und mit Blumen geschmückt. Wie das Osterwasser, galt auch das Pfingstwasser als besonders heilkräftigt. Überall, besonders in England, war es Brauch neue Kleider anzuziehen und frische Bettwäsche zu verwenden.
Zu essen gab es bei uns an dem Feiertag traditionell frischen Spargel mit Rinderzunge. Warum Zunge? Weil der Heilige Geist die Menschen in Zungen reden ließ. (Man aß ja auch „fliegendes Fleisch“ zu Himmelfahrt.) Anderswo gehörten Eiergerichte zum Pfingstessen.
Es gibt so viel altes, lokal unterschiedliches, heute oft vergessenes Pfingstbrauchtum – Pfingstritte (meistens am Pfingstmontag), Ausflüge in die blühende Natur, Schlachten des Pfingstochsen, die Heischegänge der jungen Leute, den Pfingstlümmel, der den Morgen verschlief, Pfingstsingen von Haus zu Haus und vieles mehr – dass es ein ganzes Buch füllen würde, darüber zu berichten. Auch wir können diese schöne Zeit, in der es meistens warm und freundlich ist, feiern, indem wir uns mit der Natur verbinden und aus ihr Kraft schöpfen.
Hörbuch Der Zauber der Sommerzeit
In diesem vierstündigen Hörbuch tauchen wir ein in die Hoch-Zeit des Jahreskreises. Die Erzählungen begleiten dich von der ekstatischen Zeit des Mitsommers bis in den Herbst hinein. Im Mittelpunkt stehen alte Überlieferungen, Mythologien sowie die Pflanzen unserer Kultur und über sie hinaus.
Magdalena Machinger, eine Pflanzenfotografin und Dichterin aus der Steiermark, schickte mir zu Weihnahten einen Weihnachtsgruß, in dem sie folgende Zeilen schrieb. Ich denke sie passen auch gut zum Pfingstfest besonders in diesem Jahr:
Warum sich in Zeiten der starken Polarisierungen in ein Lager drängen lassen?
Warum sich für eine Seite entscheiden „müssen“?
Wäre es nicht immer der Weg der Mitte, welcher nach vorne führte,
und nicht seine extremen Abzweigungen!?
Ich bin ein Mensch, und habe die Wahl, wohin ich gehen will.
Ich habe die Wahl, worauf ich die Aufmerksamkeit richten möchte.
So versuche ich mich, weniger zu verschließen,
als viel mehr mich dem zu öffnen, das mich nährt und erhebt.
Ich versuche die Balance zu halten,
das Gleichgewicht unserer Erde zu fördern.
Ich kämpfe gegen nichts und niemanden,
ich nehme wahr und vertraue.
Das was ich heute denke, kann morgen schon Realität sein
Und wenn ich ab und zu nicht mehr weiß,
was ich glauben kann, dann glaube ich an das prinzipiell Gute!
Das innere und das äußere Universum ist unendlich. Unendlich wunderschön und unendlich schrecklich. Es umwirbelt unser Sein und unsere Seele wie ein Wirbelsturm. Da sollten wir uns an das „Auge im Sturm“, an das ruhende Zentrum, halten. Da sollten wir von unserer Selbstgerechtigkeit, unserem Neid, Hass, unseren Unwahrheiten, unserer Gier und unseren Ängsten ablassen und uns mit unserem göttlichen Kern – den die Hindus Shiva nennen – verbinden. Oder, christlich gesehen, sollten wir unsere Herzenstür auflassen, damit der Heilige Geist Einzug halten kann.
Die Pflanzen, die sich ganz dem Himmel, der Sonne und dem Kosmos öffnen und zur gleichen Zeit mit der Güte und Kraft der mütterlichen Erde verbunden sind, können uns Menschenseelen dabei helfen. Ein Pfingstausflug in die grüne Natur kann ein Gottesdienst sein!